Ein soziales und ökologisches Europa aufbauen
Beschlossen hat der Bundeskongress den vom Gewerkschaftsrat
eingebrachten Antrag F 1 - "Legitimationskrise der Europäischen Union".
Mit ihrer Ablehnung der EU-Verfassung hätten die Bürgerinnen und Bürger
in Frankreich und den Niederlanden "zum Ausdruck gebracht, dass sie ein
anderes, ein soziales und ökologisches Europa wollen".
Daraus seien jedoch bisher keine Lehren gezogen worden. Die
Institutionen der Europäischen Union setzten vielmehr weiter "einseitig
auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und auf das
wirtschaftsliberale Credo aus
-
Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt,
-
Kapitalisierung der Systeme der sozialen Sicherheit,
-
Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen,
-
einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik."
Nach Ansicht von ver.di wird die europäische Idee aber
diskreditiert, wenn im Namen Europas soziale Unterschiede innerhalb der
Mitgliedsstaaten gefördert und die Konkurrenz zwischen ihnen geschürt
würden.
Der Weg aus der Krise führe daher nur entlang sozialer, ökologischer
und demokratischer Leitplanken, mit denen die großen sozialen
Unterschiede überwunden "und einheitlich gute Lebensbedingungen für
alle geschaffen werden". Nur so sei auch das Ziel der
"Lissabon-Strategie" zu erreichen, Europa zur führenden globalen
Ökonomie weiter zu entwickeln.
Die europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik müsse die öffentliche
Daseinsvorsorge sichern und ausbauen, nachhaltiges Wirtschaften fördern
und soziale Unterschiede aktiv überwinden. Die europäische Verfassung
müsse diese ökonomischen und sozialen Ziele konkretisieren und "als
Grundlage eines freiheitlichen, sozialen und ökologisches Europa
dienen".
Wegen der unterschiedlichen Wirtschaftskraft einzelner Länder sei es
nicht sinnvoll, Mindestvorschriften für soziale Leistungsstandards für
alle festzuschreiben. "Einzelne Länder würden massiv unter-, andere
überfordert."
Deshalb setze ver.di sich für ein "Korridor-Modell" ein: "Je größer das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, desto höher die einzuhaltenden
Sozialleistungsquoten. Damit wäre einerseits einem Sozialdumping ein
Riegel vorgeschoben, andererseits würden schwächer entwickelte
Volkswirtschaften ökonomisch nicht überfordert." Mit steigender
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit müssten aber auch sie ihre sozialen
Ausgaben steigern. So würden die Sozialstandards nach und nach auf
hohem Niveau angeglichen.
Eine nachhaltige Finanzpolitik in Europa sei gefährdet, weil
die "Finanzmärkte mehr und mehr zu einem Kasino für internationale
Kapitalanleger geworden" seien. Daher fordere ver.di "eine
Reregulierung der Finanzmärkte".
Weit verbreitet sei der Wettbewerb um niedrige Steuersätze und
großzügige Subventionen, um so Investitionen und Kapitalanleger
anzulocken. Daher fordert ver.di "ein europäisches
Unternehmenssteuermodell, das dem Steuerdumping ein Ende setzt".
Vonnöten seien zudem "neue, demokratische Vorgaben für die Festlegung
der Geldpolitik. Das Statut der Europäischen Zentralbank (EZB), ihre
Unabhängigkeit und einseitige Verpflichtung auf die Preisstabilität,
widerspricht dem Gesichtspunkt der demokratischen Teilhabe." Die EZB
müsse gleichrangig auf das Ziel einer hohen Beschäftigungsquote und
eines nachhaltigen Wachstums verpflichtet werden.
Im Streit um die EU-Dienstleistungs-(Bolkestein-)Richtlinie habe der
breite öffentliche Protest Eindruck auf das EU-Parlament gemacht: "Der
Rat wurde aufgefordert, eine entschärfte Fassung zu erarbeiten und
unter anderem Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ganz aus dem
Anwendungsbereich herauszunehmen." Die vom Parlament dann
verabschiedete Fassung sei jedoch ein Kompromiss, "der weite
Interpretationsspielräume lässt". Daher verlangt ver.di, dass
Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Gesundheit oder Bildung
vom Anwendungsbereich der Richtlinie eindeutig ausgenommen
werden.
Den bisherigen Entwurf für eine europäische Verfassung lehnt ver.di ab:
"Eine überarbeitete Verfassung muss zukunftsoffen sein und mindestens
die Ziele und Standards der Sozialcharta aufgreifen." Zudem müssten die
demokratische Teilhabe und die Kompetenzen des Parlaments gestärkt
werden. Zu Frieden, sozialer Sicherheit, Vollbeschäftigung,
nachhaltiger Entwicklung und den Menschen,- Bürger- und
Arbeitnehmer/innen-Rechten müse die Verfassung sich bekennen.
Bei der nächsten Europawahl im Jahre 2009 stehe eine
Richtungsentscheidung an - zwischen ungezügeltem Wettbewerb der Märkte
und einem Europa auf starkem sozialem Fundament gebaut. Es gelte, mit
dieser Wahl eine Trendwende einzuleiten.
Mit dem vom Bezirk Ostsachsen eingebrachten
Antrag F 17 beschloss der Kongress, "verstärkt Aktivitäten der
grenzüberschreitenden betrieblichen und gewerkschaftlichen
Zusammenarbeit regional und lokal" zu fördern. Der Bundesvorstand wird
aufgefordert, "entsprechende regionale Projekte mit Finanz- und
Personalressourcen zu unterstützen".