![]() Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen und Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen ArbeitnehmerschaftLiebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst einmal bedanke ich mich ganz herzlich bei Euch für die Einladung, die ich sehr gerne angenommen habe. Ich überbringe Euch, den Vertreterinnen und Vertretern der großen Einheitsgewerkschaft im DGB, der ver.di, natürlich auch die herzlichen Grüße unserer Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel. Aber ganz besonders überbringe ich natürlich die Grüße der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. (Vereinzelt Beifall) Zunächst einmal möchte ich allen von Euch, die gewählt worden sind, ganz herzlich gratulieren, allen voran natürlich Eurem Vorsitzenden Frank Bsirske. Ich verbinde diesen Glückwunsch, lieber Frank, auch mit meinem Wunsch auf eine weitere gute Zusammenarbeit, die wir beide ja schon etwas länger pflegen. Natürlich will ich hier nicht verhehlen, dass ich mich auch sehr darüber freue, dass unsere Kollegin aus Nordrhein-Westfalen Elke Hannack heute Morgen gewählt worden ist. Herzlichen Dank dafür. Sie ist immerhin auch im CDA-Bundesvorstand. (Beifall) Natürlich verbinde ich mit diesem Glückwunsch an alle Gewählten den
Wunsch, dass ihre Arbeit gelingen möge. Für diese wichtige Arbeit dem
gesamten Vorstand Gottes Segen. Hier will ich sofort einen ganz wichtigen Punkt der Debatte
innerhalb unseres Landes ansprechen. Wenn wir uns den Arbeitsmarkt in
Deutschland mit all seinen Licht- und Schattenseiten anschauen, sehen
wir, dass die Würde von Arbeit auch damit zu tun hat, wie Arbeit
bezahlt wird. Die Menschen müssen, wenn sie normal ausgebildet sind,
von ihrer Arbeit auch leben können. (Beifall) Die entscheidende Frage,
über die ich mir sehr viele Gedanken mache, lautet: Wie kommen wir in
unserem Land - das gilt mittlerweile für immer mehr Branchen in den
westlichen Bundesländern - wieder zu einer gerechten Lohnfindung? Für
uns gehören Tarifverträge unabdingbar zum Ordnungsrahmen der sozialen
Marktwirtschaft. Tarifverträge sorgen dafür, dass der Wettbewerb in den
Branchen fair stattfindet, nämlich nicht über die Frage, wer den
billigsten Arbeitnehmer findet, sondern Wettbewerb läuft in einer
sozialen Marktwirtschaft über Innovationen, über die Frage von
Verlässlichkeit und Service. (Vereinzelt Beifall) Ich glaube, wir müssen daran festhalten, dass wir für die Zukunft in
unserem Lande Einheitsgewerkschaften haben. Viele Probleme, die wir
etwa in den Bereichen der Zeitarbeit haben, hängen auch damit zusammen,
dass wir in diesem Bereich leider konkurrierende Gewerkschaften und
teilweise Tarifverträge von konkurrierenden Gewerkschaften haben, die,
wie ich finde, mit der Entlohnungsfrage relativ leichtfertig umgehen.
(Beifall) Ich habe schon - das sage ich Ihnen ganz offen - meinen Spaß
daran, dass jetzt für den Bereich der Briefdienste die Gewerkschaften
nicht auseinanderdividiert worden sind und hier eine klare Position
existiert. Das ist auch in der Sache begründet, denn ein Mensch, der über 55 Jahre alt ist, braucht weit über 20 Monate, um aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. Ein Jüngerer braucht dafür vier bis fünf Monate. Die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit sind hier eindeutig. Es gibt einen weiteren Punkt. Wir können den Menschen nicht sagen, weil wir die Rentenformel verändert haben, müsst ihr private Vorsorge fürs Alter treffen, aber dann, wenn ihnen Arbeitslosigkeit droht und sie ins SGB II abrutschen, lassen wir ihnen ganze 16.500 Euro. Mit 16.500 Euro für die Alterssicherung kann man eine monatliche Zusatzrente von gut 30 Euro organisieren. Wir können doch nicht sagen, man soll für das Alter vorsorgen, aber wenn das Problem der Arbeitslosigkeit eintritt, nehmen wir den Menschen auch noch die Rücklagen fürs Alter weg. An diesem Punkt bricht sich niemand einen Zacken aus der Krone, wenn
die SGB-II-Gesetze nachgebessert werden. (Beifall) Ich will gerne einen weiteren Punkt ansprechen, der nach meiner Auffassung in der Debatte in Deutschland zurzeit viel zu kurz kommt. Es geht um die Frage: Wie schaffen wir es, dass die Menschen in 10, 15 oder 20 Jahren im Regelfall eine Alterssicherung haben, die sie vor Altersarmut schützt? Wenn heute ein Arbeitnehmer für 7,50 Euro in der Stunde arbeitet, braucht er weit mehr als 45 Versicherungsjahre, um auf eine Rente von 615 Euro zu kommen. Da wir nun einmal in vielen Branchen einen Niedriglohnbereich haben - ich habe nicht umsonst 7,50 Euro genannt -, müssen wir, wie ich finde, auch darüber nachdenken, wie wir das Rentensystem in der Bundesrepublik Deutschland so ergänzen können, dass es auch Menschen mit niedrigen Löhnen, die ein Leben lang gearbeitet haben, vor Altersarmut schützt. Das geht nicht nur über private Vorsorge, sondern muss nach meiner Auffassung auch im Rentenrecht und in der Rentenformel geregelt werden. (Leichter Beifall) Deswegen habe ich vor zwei Wochen in Berlin einen Rentenkongress
über die CDA gemacht, und ich werde auch in gut 14 Tagen als
Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen einen ähnlichen Kongress machen.
Ich wundere mich schon darüber, dass die Frage um die Armutsfestigkeit
der Rente bei langjährigen Erwerbstätigkeiten so wenig in der Debatte
der Öffentlichkeit vorkommt, wie das zurzeit der Fall ist. Wir müssen
uns darum kümmern. Wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, kann
man das Problem nicht mehr lösen, weil man in der Alterssicherung alle
Probleme nur mittel- und langfristig lösen kann. Deswegen brauchen wir
jetzt über diese Frage der Armutsfestigkeit der Rente eine Debatte in
Deutschland. (Leichter Beifall) Ich möchte gerne zu einem weiteren Punkt kommen, der in den nächsten Wochen eine spannende Debatte in unserem Land zur Folge haben wird, nämlich zu der Frage, kriegen wir in Deutschland jetzt einen Durchbruch hin mit der Großen Koalition über die Frage einer vernünftigen Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch an den Betrieben und an dem Produktivkapital. Wenn man sieht, dass in den letzten Jahren die Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Unternehmensgewinnen erheblich gestiegen sind, unsere Löhne aber nicht mithalten konnten, dann glaube ich, dass diese neue Beteiligungskultur nicht nur alleine, aber auch ein Beitrag sein kann, diese Schere ein Stück weit zu schließen. Ich habe die große Hoffnung, dass die Koalitionsfraktion in Berlin hierzu in den nächsten Wochen dem Deutschen Bundestag einen Vorschlag machen wird, zumindest bis zum Beginn des nächsten Jahres. Ich glaube, dass wir vor allen Dingen darauf achten müssen, dass Mitarbeiterbeteiligung nicht eine Form der Entlohnung ist, sondern das muss auf den Lohn oben drauf. Da, wo es gemacht wird, muss es auch für ganze Belegschaften gelten, nicht nur für Teile von Belegschaften. Das halte ich für eine ganz wichtige Frage der Gerechtigkeit. Ich möchte noch gerne einen weiteren Punkt ansprechen, der uns auch
in diesen Tagen beschäftigt, nämlich die Frage der Wichtigkeit von
Tarifverträgen. Wir haben in den letzten Jahren viele Debatten gehört,
ob Flächentarifverträge noch modern sind, brauchen wir sie für einen
fairen Wettbewerb. Aber wenn ich sehe, was bei der Bahn passiert, dann
wird sich manch einer noch nach der Regelungskraft von großen
Flächentarifverträgen für ganze Branchen und Unternehmen zurücksehnen,
der sie oft kaputt geredet hat. Deswegen macht das auch deutlich, dass
es für beide Seiten ein großer Vorteil ist, wenn wir diese Kraft der
Flächentarifverträge weiterhin in unserem Land aufrechterhalten. Da stellt sich eine weitere Frage, die gerade einen Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, der auch für Lehrstellen zuständig ist, umtreibt. Wir müssen in unserem Bildungssystem in Deutschland dahin kommen, dass vor allen Dingen die Kinder, die aus Familien kommen, die eine Zuwanderungsgeschichte haben, in unseren Schulsystemen besser klarkommen. Wenn zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen von Menschen, die eine türkische Zuwanderungsgeschichte haben, nur jeder vierte Jugendliche bei einer abgeschlossenen Berufsausbildung am Ende ankommt, und wenn wir wissen, dass in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel dieses Jahr jedes vierte Baby in einer Familie mit Zuwanderungsgeschichte geboren wird, kann man vielleicht auch begreifen, wie wichtig es ist, dass wir gerade in dieser Frage in Deutschland besser werden, damit diese Menschen über Bildung auch eine Chance auf Teilhabe an ordentlicher Arbeit in unserem Lande haben. Mir würde es viel Freude machen, mit den Gewerkschaften - auch mit
ver.di - über diese spannenden gesellschaftspolitischen Fragen in der
Diskussion zu bleiben. Ich wünsche Eurem Gewerkschaftstag weiterhin
einen guten Verlauf. Vielleicht sehe ich den einen oder anderen von
Euch heute Abend auf dem Parteienabend der CDA. - Schönen Dank. (Die
Delegierten skandieren anhaltend das Wort „Mit-be-stim-mung“, untermalt
von rhythmischem Klatschen) |